Sonntag, 14. September 2008

Elephant


Originaltitel: „Elephant“
USA, 2003
Regisseur: Gus Van Sant
Hauptdarsteller: John Robinson, Alex Frost, Eric Deulen, Elias McConnell, Jordan Taylor
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Bewertung:

*******
(sehr gut)
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Was bringt einen Teenager dazu, sich eine Schusswaffe zu besorgen, Amok zu laufen und andere Menschen wahllos und ziellos umzubringen? Schulmassaker wie in den USA in Columbine (1999) oder Blacksburg (2007) und auch die Amokläufe von Erfurt (2002) und Emsdetten (2006) stellen die Psychologen vor Rätsel. Ein Thema, das die Öffentlichkeit so sehr beschäftigt, spiegelt sich natürlich auch in Filmen wider. Michael Moores mit dem Oscar ausgezeichnete Dokumentation „Bowling for Columbine“ sucht die Ursache für das Massaker in der amerikanischen Gesellschaft. Einen ganz anderen Weg, die Ereignisse im Film zu thematisieren, ging Gus Van Sant mit „Elephant“ – und schuf ein Werk, das Kritiker wie Publikum gleichermaßen polarisierte und kontrovers diskutiert wurde.

„Elephant“ spielt an einer fiktiven High School in Portland im US-Bundesstaat Oregon. Der Film begleitet einen Teil der Schüler bei ihrem unspektakulären Schulalltag. Fast voyeuristisch folgt die Kamera den Protagonisten, verfolgt sie auf ihrem Weg durch lange Schulgänge und fängt belanglose Begegnungen und Dialoge ein. Immer wieder erkennt der Zuschauer die gleichen Szenen, die jeweils aus dem Blickwinkel eines anderen Schülers gezeigt werden. Schritt für Schritt zielt die Handlung auf das schreckliche Ereignis ab und spitzt sich immer weiter zu. Beethovens Klaviersonate „Für Elise“ zieht sich dabei wie ein roter Faden durch den gesamten Film – und schafft eine geradezu schaurige Atmosphäre. Man weiß, dass das Massaker kommt, dennoch trifft einen die Brutalität wie ein Hammerschlag. „Stunning!“ beurteilte der Chicago Tribune den Film – sicher nicht zu unrecht.

Gus Van Sants Film stieß aber nicht auf ungeteilte Begeisterung. Hauptkritik war, dass er nicht versucht, eine Erklärung für das Massaker zu geben. Ganz im Gegenteil spielt der Film mit scheinbar belanglos eingestreuten Motiven wie Computerspielen oder Neonazismus, die im selben Moment wieder ad absurdum geführt werden. Einige dieser Szenen wirken zwar etwas unausgegoren, fügen sich aber durchaus stimmig ins Gesamtbild des Films ein. Denn Gus Van Sant hat in „Elephant“ ausschließlich mit Laiendarstellern gearbeitet, der Großteil der Dialoge ist improvisiert – was alle Szenen wie selbstverständlich und sehr authentisch wirken lässt. Die Darsteller spielen quasi sich selbst und tragen auch ihre realen Vornamen. Einige konnten „Elephant“ als Sprungbrett für eine Schauspielerkarriere nutzen. So spielte John Robinson in „Lords of Dogtown“ zusammen mit Heath Legder und wirkte in Michael Bays „Transformers“ mit. Alex Frost war unter anderem in „Stop-Loss“ an der Seite von Ryan Phillippe, Channing Tatum und Joseph-Gordon Levitt zu sehen.

Der ungewöhnliche Titel des Films lehnt sich an einen BBC-Kurzfilm aus dem Jahr 1989 an („Elephant“ von Alan Clarke), der in Nordirland einen Killer auf seinem Weg begleitet, einen Menschen nach dem anderen umzubringen – ein Gemetzel, das man meines Erachtens nicht unbedingt gesehen haben muss. Ganz im Gegensatz zu Gus Van Sants Meisterwerk. Auf den Filmfestspielen in Cannes gewann es überraschenderweise die Goldene Palme. Ich konnte den Film – vor dem deutschen Kinostart – beim „Verzaubert-Filmfest 2003“ sehen. Fast noch beeindruckender als der Film selbst, war die Stimmung im Kinosaal. Am Ende des Films war es totenstill, der gesamte Abspann ist durchgelaufen, der Vorhang ist zugegangen, das Licht ist angegangen ... und erst dann haben die Zuschauer sich „getraut“, sich wieder zu bewegen, und sind ganz langsam aufgestanden und weitgehend schweigend aus dem Kino raus gegangen. Wow!
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Internet Movie Database
IMDb: Elephant

DVD
Amazon.de: Elephant

Links
YouTube: Elephant – Trailer (2:04 Min. engl.)
Offizielle Website zum Film (engl.)
Filmzentrale.com: Kritik von Diedrich Diederichsen, taz
AboutFilm.com: Interview mit Gus Van Sant und Produzent Diane Keaton (engl.)
Wikipedia.de: Schulmassaker von Littleton, Columbine
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