Samstag, 15. August 2009

Summertime Blues


Originaltitel: „Summertime Blues“
Deutschland, 2009
Regisseur: Marie Reich
Drehbuch: Frederike Köpf, Uschi Reich, Robin Getrost
Produzenten: Uschi Reich, Bernd Krause
Hauptdarsteller: François Goeske, Sarah Beck, Zoe Moore, Karoline Eichhorn, Alexander Beyer, Christian Nickel, Maja Schöne, Jonathan Beck
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Bewertung:

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(hat ein paar lichte Momente)
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Wer mein Blog liest, weiß, dass ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen würde, einen neuen, groß angekündigten, deutschen Coming-of-Age-Film – der von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden mit dem Prädikat „wertvoll“ ausgezeichnet wurde – in München in der Vorpremiere anzusehen, umso mehr, wenn auch der Hauptdarsteller anwesend ist. Naja, so war ich heute im Mathäser Filmpalast bei „Summertime Blues“. Zugegeben, allzu hohe Erwartungen hatte ich an den Film nicht, aber was ich zu sehen bekam, hat mich dann doch … *ähhh* … überrascht.

Die Story ist an und für sich nicht ohne Potenzial: die Eltern des 15-jährigen Alex haben sich gerade getrennt und er muss sich entscheiden, ob er mit seiner Mutter und ihrem neuen Lebensgefährten die Ferien im englischen Kent verbringen will oder doch lieber in Bremen bei seinem Vater und dessen schwangerer Freundin bleibt. Alex fährt nach England und trifft dort gleich auf zwei Mädchen: auf die Außenseiterin Louie, die ihr Leben der Hilfe für Not leidende Tiere verschrieben hat, und auf die Amerikanerin Faye, die Tochter seines neuen „Stiefvaters“ aus erster Ehe. Das alles sorgt natürlich für einige Konflikte und bis sich alles wieder in Wohlgefallen auflöst, ist so manche Klippe zu überwinden. Ein klassischer Teenagerfilm also, und eine Lovestory über die Wirren der ersten Liebe.

Trotz ambitionierter Ansätze schafft es „Summertime Blues“ aber leider überhaupt nicht, das Thema überzeugend darzustellen. François Goeske ist mit 20 Jahren als Hauptdarsteller schlichtweg zu alt für die Rolle, den 15-Jährigen nimmt man ihm beim besten Willen nicht mehr ab. Bei der Problematik des Scheidungskindes wird kein einziges Klischee ausgelassen. Da muss selbst die aus der tiefsten Mottenkiste hervorgeholte alternativ-ökologische Vorzeigefamilie wieder herhalten. Auch die Gefühlswelt des Protagonisten Alex ist alles andere als stimmig. Das liegt schon alleine daran, dass die Figur – in der Romanvorlage der Autorin Julia Clarke ebenso wie im Film – in ihrem ganzen Denken, Fühlen und Handeln eher einer weiblichen Logik folgt. Schon im Buch wirkt das für einen Jungen unglaubwürdig, bei der Verfilmung umso mehr.

Hinzu kommen die bei „Summertime Blues“ auffallend platten und holprigen Dialoge, die blassen Charaktere und die zuweilen billig wirkende Szenerie. So besticht Louies Tierfarm mit einer Kasperltheater-Hütte, die mit ihren herumhüpfenden Ziegen an unterstes GZSZ-Niveau erinnert. Da finden sich die Schauspieler auf verlorenem Posten wieder und können nicht wirklich zur Bestform auflaufen. François Goeske meistert das so lala, die Off-Kommentare – die allerdings weitgehend der Romanvorlage entnommen sind – muten trotzdem eher gezwungen und unnatürlich an. Einer der „lichten Momente“ ist hier aber Zoe Moore als Louie, die ihre – im Englischen leider ebenfalls platten – Dialoge mit ihrem natürlichen Spiel wettmacht.

Zu schade, dass François Goeske heute im Kino am Ende der Vorstellung schon zum nächsten Termin weitergezogen war. Ich hätte ihn gerne gefragt, ob er sich beim Drehen der einen oder anderen Szene nicht selbst blöd vorgekommen sein muss. Und die Art und Weise, wie sein Manager den jungen Mann in der Vorankündigungsrunde zu Beginn des Films präsentiert hat, als wäre er noch ein kleiner Bub, empfanden sogar die Teenie-Mädels in der Reihe hinter mir als „peinlich“. François Goeske hatte mit seiner Hauptrolle in dem Pro7-Remake des Filmklassikers „Die Brücke“ eine sehr beachtliche Leistung gezeigt und bewiesen, dass er sich zu einem ernst zu nehmenden Schauspieler entwickelt hat. Es ist jetzt wirklich an der Zeit, dass er aufhört, sein Teenstar-Image krampfhaft aufrechterhalten zu wollen.

Alles in allem ist der „Summertime Blues“ also eher eine schwache Vorstellung. Von der Produzentin Uschi Reich hat man schon besseres gesehen und ihre Tochter Marie hat sich mit diesem Regiedebut nun wirklich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Uschi und Marie Reich sollten sich wohl doch besser wieder auf die weibliche Gefühlswelt – wie bei „Die wilden Hühner“ – konzentrieren. Eine Empfehlung, die man der Romanautorin Julia Clarke auch gerne mit auf den Weg geben möchte. Wer nicht gerade der Kernzielgruppe der 12-jährigen Teenie-Girls angehört, sollte für die 2 Stunden, die der Film dauert, die Sommerzeit doch eher in der Sonne verbringen als im Kino – oder er kriegt erst recht den „Blues“.
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Internet Movie Database
IMDb: Summertime Blues

Trailer
YouTube: Summertime Blues – Trailer (1:42 Min)

DVD
bislang nicht auf DVD erhältlich
Kinostart: 20. August 2008


Filmkritiken
Film.de: „Wenn in Deutschland Filme für Teenies produziert werden, ist es leider die Regel geworden [...]“
Filmstarts.de: „In Deutschland werden rund 39 Prozent aller Ehen geschieden, etwa 150.000 Kinder [...]“
Filmfuchs.de: „Grundlage für diese versuchte Sezierung jugendlicher Gefühlswelten ist der gleichnamige Roman [...]“
MovieMaze.de: „Teeniemelodram-Schmonzetten sind nicht gerade neu. Das Kochrezept ist einfach [...]“
Berliner Zeitung: „Der deutsche Debütfilm 'Summertime Blues' erteilt Lehrstunden in Anglophilie [...]“

Links
Offizielle Website zum Film
Tags: Coming of Age, Film, Kritik, Rezension, Review, Besprechung, Beurteilung, Bewertung, Beschreibung
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10 Kommentare:

Konstantin hat gesagt…

Eine sehr schöne Rezension, die meinen Eindruck vom Trailer bestätigt. Da werde ich die zwei Stunden wirklich lieber in der Sonne verbringen!

Anonym hat gesagt…

Ich hab's befürchtet.....
Interessanter blog übrigens!

Jan hat gesagt…

Thx für die Kritik. Ich fand den Francois ja bisher schon toll, aber nach der Kritik und dem Trailer werd ich mir den Film wohl doch besser sparen...

Kevin hat gesagt…

Schade, dass sich die typisch deutsche Miesmacherei auch hier wieder breit macht... Meiner Freundin und mir hat Summertime Blues sehr gut gefallen - und auch vielen unserer Freunde. Klar hat man an manchen Stellen gemerkt, dass es ein Debutfilm war, aber François Goeske war wieder top und spielte seine Rolle sehr authentisch und überzeugend. Auch die Filmmusik war super! Wir freuen uns schon sehr auf die DVD.

Marcel hat gesagt…

@Mike: dass man mit dem RSS Feed auch die Kommentare abonnieren kann, ist echt praktisch ;-)

@Kevin: Was hat das denn mit "deutscher Miesmacherei" zu tun? Ich hab den Film auch gesehen und so unrecht hat Mike nicht, auch wenn sein Urteil ein wenig hart ausgefallen ist. Aber auch ich hab mich von der PR für den Film verleiten lassen und die weckt völlig falsche Erwartungen. Ich war enttäuscht und sauer, denn von einem verdienten Prädikat "wertvoll" ist der Film sicherlich meilenweit entfernt.

Daniel hat gesagt…

Warum hast du Francois Göske eigentlich nicht in deiner Schauspielerliste?

Mike hat gesagt…

@Daniel:
Ich habe von Francois Goeske bisher nur zu Summertime Blues ne Kritik. Und die ist ja jetzt nicht gerade sehr positiv. Ich fände es echt nicht ok, wenn beim Click auf Francois Goeske nur diese eine Scheiß-Kritik käme.

Ich halte viel von Francois und das hätt er nicht verdient. Leider wird es nicht dazu kommen, dass ich noch ein paar Kritiken zu Francois' Filmen poste. Und so verzichte lieber darauf, ihn in der Schauspielerliste aufzunehmen, solange die Leser meines Blog beim Click nicht auch auf Inhalte und Kritiken kommen, die der Leistung von Francois auch gerecht werden.

Melli hat gesagt…

Ich habe den Film am Wochenende im Fernsehn gesehen. Ich finds echt scheise wie du den Film krietisirst. Der is echt toll und hat das nich verdient.

Anonym hat gesagt…

Irgendwie ist mir der Film sympathisch, aber nichtsdestotrotz halt ich auch die schauspielerische Leistung an einigen Stellen für unterdurchschnittlich und ebenfalls auf GZSZ-Niveau. Vor allem fällt deutlich auf, daß man bei einigen Charakteren offenbar nichtmal in der Lage war, Schauspieler zu finden, die, wenn sie schon Engländer spielen sollen, auch ein halbwegs brauchbares englisch sprechen. Vorbildlich in dieser Hinsicht Louie oder auch die Schwester von Leo - katastrophal und extrem peinlich im Gegensatz dazu Leo selbst.

Mike hat gesagt…

@Anonym: Danke für deinen Kommentar. Freut einen doch, wenn man auch mal in dem einen oder anderen Punkt Zustimmung bekommt.