Samstag, 16. August 2008

Sweet Mud – Im Himmel gefangen


Originaltitel: „Adama Meshuga'at“
Israel, Deutschland, 2006
Regisseur: Dror Shaul
Hauptdarsteller: Tomer Steinhof, Ronit Yudkevitz
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Bewertung:

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(gut)
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Kibbuz – um diese israelischen, sozialistisch organisierten Agrarkollektive ranken sich viele Legenden. Mit den Kibbuzim begannen Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten Landnahmen auf palästinensischem Gebiet – letztendlich die Grundsteinlegung für den Staat Israel nach dem Zweiten Weltkrieg. Selbst in einem Kibbuz aufgewachsen arbeitet Regisseur Dror Shaul mit „Sweet Mud – Im Himmel gefangen“ ein Stück seiner eigenen Kindheit auf und gibt dabei interessante Einblicke in das streng durchorganisierte Leben der ländlichen Gemeinschaften. Eine Abrechnung mit der Vergangenheit, die auch beim Zuschauer schmerzliche Betroffenheit hinterlässt.

„Sweet Mud“ spielt 1974 in Israel. Der 12-jährige Dvir wächst – wie alle Kinder im Kibbuz – in einem zentral geführten Kinderhaus auf. So sind die Eltern der Pflicht der Kindererziehung enthoben und können sich voll und ganz um die gemeinschaftlichen Aufgaben – allen voran die landwirtschaftliche Produktion – kümmern. Dvir ist Halbweise und ein Stück weit ein Außenseiter, weil seine depressive und suchtkranke Mutter nicht in der Form der Gemeinde dienen kann, wie es von allen erwartet wird. Sich auch noch um seine Mutter kümmern zu müssen, ist keine leichte Aufgabe für den Jungen, der kurz vor seiner Bar Mizvah steht und hofft, danach als gleichwertiges Mitglied in der jüdischen Gemeinschaft akzeptiert zu werden.

Doch das Blatt wendet sich auch nicht, als eine Kurliebe seiner Mutter, der Schweizer Stephan, den sie nach dem Tod von Dvirs Vater kennen gelernt hatte, in den Kibbuz zu Besuch kommt. Stephan ist eher wie der gute, alte Großvater und kann die Rolle des Vaters nicht erfüllen. Zudem kann er sich in die strenge Gemeinschaft des Kibbuz nicht einfügen. Als nach Stephans Abreise auch noch Dvirs älterer Bruder zum Militär eingezogen wird, sieht sich der Junge völlig auf sich alleine gestellt. Traumatisiert von den Erlebnissen im Kibbuz – und dabei war es noch das Harmloseste mit anzusehen, wie sich ein Nachbar von einem Kalb einen blasen lässt – beschließt er, der Gemeinschaft den Rücken zu kehren.

Tomer Steinhof, der für die Rolle des Dvir gecastet wurde und zum ersten Mal vor der Kamera stand, gibt eine grandiose Vorstellung. Die sensible Gratwanderung zwischen kindlichem Freiheitsdrang, erster Liebe, religiöser Verpflichtung gegenüber der Gemeinde, aufopfernder Fürsorge für seine Mutter und zunehmender Abscheu gegen die strenge und kinderfeindliche Gesellschaft, in der er aufwächst, meistert er mit Bravour. Kein Wunder, dass „Sweet Mud“ auf dem Sundance Filmfestival den Großen Jurypreis und auf der Berlinale den Preis für den besten Jugendfilm gewann. Ein Film, der mit feinen, leisen Tönen das Herz des Zuschauers gewinnt, wie man es sonst nur beim französischen Kino findet. Sehenswert!

Und noch eine Anmerkung am Rande, um das Münchner Lokalkolorit aufrecht zu erhalten: Ich habe „Sweet Mud“ übrigens im „Neuen Gabriel“ gesehen, einem Münchner Kino, das nun gar nicht so neu ist. 1906 eröffnet zählt es zu den ältesten, durchgehend bespielten Kinos der Welt. Eine kleine Institution also im hart umkämpften Markt des Kinofilms.
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Internet Movie Data Base
http://www.imdb.com/title/tt0498846/

DVD
http://www.amazon.de/Sweet-Mud-Im-Himmel-gefangen/dp/3898481603/

Links
http://www.youtube.com/watch?v=kKELGIrI5bE
http://www.sweetmud.de/
http://www.br-online.de/bayerisches-fernsehen/kino-kino/sweet-mud-drama-shaul-ID1217574545265.xml
http://de.wikipedia.org/wiki/Kibbuz
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